Kurz, ach kurz ist diese Spanne Leben!
Und – wie´s unsichtbare Hände weben,
Bleibt´s, o Sterblicher! gewebt.
Nichts ist, das den kalten Boten ferne;
Eilend kommt und löscht er die Laterne:
Wer gelebt hat, hat gelebt. –

Leere denn des Lebens vollen Becher
Still und fröhlich, eh´ das Lämpchen schwächer,
Dem Verlöschen näher scheint.
O genieß, genieß, was dir beschieden;
Gönne deinem armen Herzen Frieden:
Sey, o Mensch! dein eigner Freund.

Laßt uns froh das Heute heute nützen,
Nur genießen heißt wahrhaft besitzen;
Wer nur sehnend vorwärts strebt,
Immer aus der Zukunft Füllhorn naschet,
Wer die Gegenwart nicht eilend haschet,
Hat geträumt, hat nicht gelebt.

Leb´, o lebe; denn mit raschem Schritte
Eilt der Bote vom Palast zur Hütte,
Löscht, wie´s kommt, die Fackel, strebt
Jeglichen Moment nach neuer Beute:
Willst du leben, thu es heute, heute!
Wer gelebt hat, hat gelebt.

Karoline Christiane Louise Rudolphi
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