Gedichte von Christoph August Tiedge

Nicht des Beifalls arme Gaben,
Gottes Blick und dein Gefühl
Tragen dein Gemüt erhaben
Über dieses Weltgewühl.

Sei´s daß dir das Lob verstumme:
Lob verweht und Weihrauch stäubt;
Nur das Gute, nur die Summe
Deiner beßren Taten bleibt.

Wo eine Tugend an der Brust der andern,
Und wo der Gram ans Herz der Liebe fällt,
Da laß uns heiliger vorüberwandern,
Da feiert eine Engelwelt.
Sei hochbeseligt oder leide:
Das Herz bedarf ein zweites Herz;
Geteilte Freud´ ist doppelt Freude,
Geteilter Schmerz, ist halber Schmerz.

Fiel ein Herz im Drange
Zwischen Reiz und Pflicht:
Mensch, o richte nicht!
Weißt du, welchem Zwange,
Welchem Unglückstag
Solch ein Herz erlag?

An Alexis send´ ich dich,
Er wird, Rose, dich nun pflegen;
Lächle freundlich ihm entgegen,
Daß ihm sey, als säh´ er mich!

Frisch, wie du der Knosp´ entquollst,
Send ich dich; er wird dich küssen:
Dann – jedoch er wird schon wissen,
Was du alles sagen sollst.

Sag´ ihm leise, wie ein Kuß
Mit halb aufgeschloßnem Munde,
Wo mich, um die heiße Stunde,
Sein Gedanke suchen muß.

Die Freundschaft ist die heiligste der Gaben,
Nichts Heilger’s konn’t uns ein Gott verleihn.
Sie würzt die Freud’ und mildert jede Pein,
und einen Freund kann jeder haben,
der selbst versteht, ein Freund zu sein.

Das Leben ist ein Instrument,
Von Gott uns in die Hand gegeben;
Von ihm zur Wahrheit und Verstand
Ganz rein gestimmt, nur Harmonien
Für Geist und Herz daraus zu ziehen,
Das überließ er uns´rer Hand.

Die Einsamkeit erzieht die Pflanze
Des höheren Lebens im Gemüth,
Den zarten Keim, der in dem Glanze
Von andern Sonnen heller blüht.
Sie sammelt uns in ihrem Schatten,
Wenn wir, verlockt durch Trug und Schein,
Uns von uns selbst verloren hatten
Und führet uns in uns hinein.