Der zeitliche Abstand […] läßt den wahren Sinn, der in einer Sache liegt, erst voll herauskommen. Die Ausschöpfung des wahren Sinnes aber, der in einem Text oder einer künstlerischen Schöpfung gelegen ist, kommt nicht irgendwo zum Abschluß, sondern ist in Wahrheit ein unendlicher Prozeß.
Das einzige, was mich zur Zeit noch daran hindert, wieder in die katholische Kirche einzutreten, sind die eingedeutschten Messen und das renovierte Vaterunser. Der Text, den ich noch gelernt hatte, war in einer unantastbaren Sprache abgefasst, auf einer literarischen Höhe, die jedem sofort vermittelte, hier radebrecht kein reformfreudiger Studienrat, hier spricht Gott.
Schlager sind Texte, die gesungen werden müssen, weil sie zu dumm sind, um gesprochen zu werden.
Manchmal ist mir, als hätte man uns in einen Film gesperrt. Wir kennen unseren Text, wir wissen, wo wir gehn und stehn sollen […] und es gibt keine Kamera. Aber wir können nicht mehr raus. Und es ist ein schlechter Film.
Ich hatte als Schauspieler eine bewegte und schöne Zeit, ich wollte nicht mit ansehen, wie ich meines geliebten Berufs überdrüssig und müde werde, wie ich die Texte nicht mehr schaffe, wie ich das Filmteam durch Stottern und Hängen vom Feierabend abhalte.
Ein Text ist nicht dann vollkommen, wenn man nichts mehr hinzufügen kann, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann.
Leider bekommen heute viele junge Menschen Botschaften vermittelt wie: Leistung ist Käse, Kiffen ist geil, haut dem Lehrer auf die Fresse, brecht die Schule ab, ihr könnt auch so ganz viele Autos und Mädels haben. Das kriegen die doch dauernd eingehämmert von diesen Rappern mit ihren Schwachsinnstexten. Das ist einfach Tinnef, da krieg ich einen dicken Hals.
Luthers Glaube an das Geschriebene war unendlich. Den Papst verwarf er, weil er in der Bibel nicht vorkam. Die Mönche und Nonnen ebendeshalb. Den Kaiser aber, und die Obrigkeit und den Krieg nicht, denn sie standen drin. Kann man sich einen abergläubischeren Text-Fetischismus oder wenn man will, eine liebevollere Hingabe denken?
Wenn Hamlet plötzlich anfängt, Zeilen aus einem ganz anderen Drama zu sprechen, dann muß auch Ophelia ihren Text ändern, um den Ganzen einen Sinn zu geben, und die Vorstellung verläuft danach in ganz anderen Bahnen. Es könnte passieren, daß die beiden dann gemeinsam fortgehen, anstatt ständig um das Schloss herumzuschleichen. Das mag vielleicht ein schlechtes Stück sein, vermutlich ist es aber ein besseres Leben
If Hamlet begins to use lines from Abie´s Irish Rose, Ophelia has to change her lines, too, in order to make sense of it, and the whole performance will proceed differently. The two of them might then take off together instead of skulking around the castle — a bad play, but probably a better life.
Er hat mir auch die Augen geöffnet, dass man erst einmal den primären Text ausschöpfen muss, und zwar systematisch ausschöpfen muss, bevor man in die Wirkungsgeschichte hineingeht.