An Tagen, da der Schwermut breite SchwingenOb meiner Seele eb´nen Planen schweben,Beugt sich der Stamm des Lebensbaums zur Erde.Aus solcher Zeit trägt meine Stirne FurchenUnd tief´re Narben mein empfindsam Herz,Als aus dem Schlachtgetös´ des thätigen Lebens.An solchen Tagen weiß ich mit Entsetzen,Daß alle Kunst nur Spiel und Thorheit ist,Den Greisenblick zum Kindesblick zu fälschen;Daß nie das Rauschen eines HeldenliedsAus Memmen Helden schuf; daß Bösewichter,Im Schauspielhause vor der Szene sitzend,Des falschen Pathos lächeln, das sie feiert;Daß dieser Dirne Lachen Eva lachte,Und Kain, der vor Millionen dunklen JahrenDen Bruder Abel schlug, noch lebt und haßt.An solchen Tagen bin ich ohne HoffnungUnd flüchte mich zum Lied, wie oft im KriegeIn Gärten das Entscheidungsmorden wütet.Heut´ aber, da der Schwermut SchwingenschlagVon fernher meiner Seele Halme beugt,Heut´ lad´ ich dich, die du voll Sonne bist,Zu mir ins Haus: bring´ mir die Sonne mit.Noch lechzt mein Herz nach Licht. Kommst du zu spät,So liegt mein Haus in Nacht. Kommst du zur Zeit,So wollen wir die Krüge roten WeinsMit Rosen kränzen. Aber spute dich !Ich war zu lang´ allein: die EinsamkeitSchreit schon nach ihrer Schwester, nach der Schwermut.
Es gibt eine Art von stillen Gedichten,Die nichts erfinden und nichts berichten,Die wie mit schlanken, blassen, weichenFingern über die Stirn dir streichen,Die wie ein Hauch mit zagem WehnTräumend öffnen der Seele TürenUnd schwebend durch deine Seele gehn,Worte hauchend im Verwehn,Die dich jählings zu Tränen rühren.
Jede Stunde ist Tochter und Mutter zugleichUnd macht uns arm, und macht uns reich.Und immer öffn´ ich von neuem die Tür:"Tritt ein, du Stunde, was bringst du mir?"Sie schaut mich an: "Mich hab´ ich gebracht;So hab´ ich dein Leben reicher gemacht." –"Und ärmer!" schrei ich. Sie nickt und geht.Die Tochter schon auf der Schwelle steht."Du, deine Mutter an mich vergaß!Bring du mir endlich" … Ernst fragt sie: "Was?"– "Das Leben!" fleh´ ich. Da geht sie schon:"Vielleicht weiß meine Tochter davon."Und Kommen und Gehn und Kommen und Gehn,Kann kaum mehr an der Türe stehn,Und da schlurft noch eine Stunde herein,Und die wird nimmermehr Mutter sein…
Der Abend war selbst wie ein Wunder der Liebe,Sie gingen umschlungen und stumm vor LiebeAus den Feldern dem träumenden Dorfe zu.Sie lehnte sich wärmer an ihn. Sie sagte,So still, als wenn der Abendwind klagte:"Im Korn, das war doch eine Sünde, du!"Er löst seine Hand und Wange von Wange:"Und nennst dus Sünde, daß ich dich umfange,So liebst du mich nicht und liebst mich nicht!"Da schaut sie empor zu dem Zornigen, WildenUnd sieht mit erschrockenen, hilflosen, mildenAugen dem Liebsten ins Angesicht,Und lächelt in Tränen und löst die bleichen,Bebenden Lippen und sagt mit weichenWorten zum Liebsten: "Das sagst du mir?"Und schlingt den Arm um den trotzigen Knaben:"Daß wir das Korn so zerbrochen haben,Das war eine Sünde. Das sag´ ich dir."
Ein Geldschein kam in meine Hand,Von einem Mädchen auf den RandStand hingeschrieben schicksalsschwer:Für dich gab ich die Unschuld her.Wer´s auch geschrieben auf den Rand,Ob zitternd eine bleiche Hand,Die kaum, von Gegenwehr erschöpft,Das dünne Jäckchen zugeknöpft;Wer´s auch geschrieben auf den Rand,Ob einer Dirne müß´ge Hand,Die eben in erlogner LustDen Wüstling drückte an die Brust.Ein fürchterliches Elend schriebDie Zeile, die erhalten blieb,Wenn auch den Schein als UnterpfandEin Wuchrer drehte in der Hand,Wenn auch, des Scheines tiefen SinnNicht achtend, eine KöniginIhn gab für einen Schmuckes Tand –Vom eklem Schmutze starrt sein Rand!Und dennoch bist du schlechter nicht,Trägst du auch schamlos im GesichtDie offne, unbedeckte Schand´:Kein bessrer geht von Hand zu Hand!So kamst du mir und gehst davon,Und gierig streckt nach dir sich schonDer Habsucht spinnendürre Hand,Und weiter wanderst du durchs Land!
Das Märchen vom Glück, das ich euch sag´,Dauert gerad´ einen Herzensschlag;Dürft drum mein Märchen nicht töricht schelten,So tief ihr´s faßt, so tief wird´s euch gelten!Und dies ist mein Märchen: Das echte GlückBleibt nur gerad´ einen Augenblick.Einmal hat´s einer am Ärmel genommenUnd hielt´s gefangen in seinem Haus,Da hat es grau-graue Haare bekommen;Und wie das Glück graue Haare bekommen,Da sah es genau wie das Unglück aus …Mein Märchen, es dauert so lang´ wie das Glück:Einen Herzensschlag; einen Augenblick.
Sternschnuppenfall, Sternschnuppenfall!Heut will ich nicht schlafen und immer nur wünschen,Und alles wird in Erfüllung gehn:Ein Kleid aus Seide, aus schneeweißer Seide,Mit uralten Spitzen aus Brabant,Und jeder Knopf ein Diamant;Ein Diadem aus lauter Türkisen,Dazwischen Brillanten, wie Wasser klar,Das paßt am besten ins schwarze Haar;Sternschnuppe, ein Halsband aus großen Perlen;Und du, Sternschnuppe, ich bitte dich,Such Perlen ohne Thränen für mich;Dann wünsch´ ich ein Paar ganz kleiner Pantoffel,Kleiner, viel kleiner als mein Fuß,Aber das mir doch passen muß!Zu alledem wünsch´ ich mir einen Liebsten…O weh, die Mutter! Sie jagt mich ins Bett!Ach, wenn ich nur erst einen Liebsten hätt!
Der Apotheker, der Kaufmann, der Arzt und der Richter,Es sind immer wieder dieselben Gesichter;So eine Kleinstadt, es ist ein Graus,Gott gebe, ich wäre schon wieder heraus.Aber am Sonntag lädt der Herr Richter›auf einen Löffel Suppe den Großstadtdichter‹,Der Apotheker, der Kaufmann, der Arzt, die dreiSind natürlich auch dabei.Das Essen ist gut, da ist nichts zu sagen,Ihr Minister des Innern ist eben der Magen,Und der Wein nicht übel; nun ja, man spürt,›Man‹ hat eben in der Hauptstadt studiert.Dann spricht man und raucht; es geschieht auch zuweilen,Daß Minuten ohne Gespräch enteilen.Dann spricht man wieder und dann, auf Ehr,Bringt die Hausfrau Notenständer her.Und dann, da ich seufze: "Es ist nicht zu ändern!"Sitzen die Alten schon vor ihren Ständern,Ein jeder den Fidelbogen nimmt,Zwei Geigen, Viola und Cello. – Es stimmt – .Und sie spielen. Beethoven. Erst etwas befangen;Dann steigen Flämmlein in ihre Wangen,Und herrlich durch das Zimmer ziehnDie unendlichen, mächtigen Melodien.Ich sitze und lausche, aufs Tiefste erschüttert;Mein Herz wird mild und die Seele erzittert.Der Flügelschlag der Kunst durchrauschtDie Luft, der fromm die Seele lauscht.Mir wird, versunken im Anblick der Alten,Als müßt´ zum Gebet ich die Hände falten:O Himmel, im Alter bewahre auch mirDie Freude am Schönen, wie diesen hier!
Ist eine alte Uhr in Prag,Verrostet das Werk und der Stundenschlag,Verstummt ihre Stimme im Munde;Zeigt immer die gleiche Stunde.Doch täglich einmal, so tot sie sei,Schleicht zögernd die Zeit an der Uhr vorbei,Dann zeigt sie die richtige Stunde,Wie die Uhren all´ in der Runde.Es ist kein Werk so abgetan,Kommt doch einmal seine Zeit heran,Daß es sein Wirken bekunde,Kommt doch seine richtige Stunde…