Ihr lieben Mauern hold und traut,Die ihr mich kühl umschließt,Und silberglänzend niederschaut,Wenn droben Vollmond ist!Ihr saht mich einst so traurig da,Mein Haupt auf schlaffer Hand,Als ich in mir allein mich sah,Und keiner mich verstand.Jetzt brach ein ander Licht heran,Die Trauerzeit ist um,Und manche zieh´n mit mir die BahnDurch´s Lebensheiligtum.Sie raubt der Zufall ewig nieAus meinem treuen Sinn,In tiefster Seele trag´ ich sie,Da reicht kein Zufall hin.Du Mauer wähnst mich trüb wie einst,Das ist die stille Freud;Wenn du vom Mondlicht widerscheinst,Wird mir die Brust so weit.An jedem Fenster wähnt ich, dannEin Freundeshaupt, gesenkt,Das auch so schaut zum Himmel an,Das auch so meiner denkt.
Du sagtest mir es, Mutter:Er ist ein Springinsfeld!Ich würd´ es dir nicht glauben,Bis ich mich krank gequält!Ja, ja, nun ist er´s wirklich;Ich hatt´ ihn nur verkannt!Du sagtest mir´s, o Mutter:"Die Männer sind mechant!"Vor´m Dorf im Busch, als gesternDie stille Dämm´rung sank,Da rauscht´ es: "Guten Abend!"Da rauscht´ es: "Schönen Dank!"Ich schlich hinzu, ich horchte;Ich stand wie festgebannt:Er war´s mit einer Andern –"Die Männer sind mechant!"O Mutter, welche Qualen!Es muß heraus, es muß! –Es blieb nicht bloß beim Rauschen,Es blieb nicht bloß beim Gruß!Vom Gruße kam´s zum Kusse,Vom Kuß zum Druck der Hand,Vom Druck, ach liebe Mutter! –"Die Männer sind mechant!"
Auf ferner, fremder AueDa liegt ein toter Soldat,Ein ungezählter, vergeßner,Wie brav er gekämpft auch hat.Es reiten viele GeneraleMit Kreuzen an ihm vorbei;Denkt keiner, daß, der da lieget,Auch wert eines Kreuzleins sei.Es ist um manchen Gefallnen,Viel Frag´ und Jammer dort;Doch für den armen SoldatenGibt´s weder Träne noch Wort. –Doch ferne, wo er zu Hause,Da sitzt beim AbendbrotEin Vater voll banger AhnungUnd er sagt: "Gewiß, er ist tot."Da sitzt eine weinende MutterUnd schluchzet laut: "Gott helf´!Er hat sich angemeldet:Die Uhr blieb stehn um elf!"Da starrt ein blasses MädchenHinaus ins Dämmerlicht:"Und ist er dahin und gestorben,Meinem Herzen stirbt er nicht." –Drei Augenpaare schicken,So heiß ein Herz nur kann,Für den armen, toten SoldatenIhre Tränen zum Himmel hinan.Und der Himmel nimmt die TränenIn einem Wölkchen aufUnd trägt es zur fernen AueHinüber im raschen Lauf;Und gießt aus der Wolke die TränenAufs Haupt des Toten als Tau,Daß er unbeweint nicht liegeAuf ferner, fremder Au.
Ich auf der Erd´, am Himmel du,Wir wandern beide rüstig zu:Ich ernst und trüb, du mild und rein,Was mag der Unterschied wohl sein?Ich wandre fremd von Land zu Land,So heimatlos, so unbekannt;Berg auf, Berg ab, Wald ein, Wald aus,Doch bin ich nirgend, ach! zu Haus.Du aber wanderst auf und abAus Ostens Wieg´ in Westens Grab,Wallst Länder ein und Länder aus,Und bist doch, wo du bist, zu Haus.Der Himmel, endlos ausgespannt,Ist dein geliebtes Heimatland;O glücklich, wer, wohin er geht,Doch auf der Heimat Boden steht!
Wird´s drüben nach dem Leben,Ein Wiedersehen geben? –Wer hat wohl beim Hinübergeh´nDer Freunde schon genug geseh´n?Wie mancher möchte noch was sagen,Und muß es mit hinüber tragen;Nur Ahnung tönet ihm dabei,Daß dort ein Wiedersehen sei.Wird´s drüben nach dem Leben,Ein Wiedersehen geben? –Wie lang ein Herz auch fühlen mag,Gefühl hat keinen Sterbetag.Das Herz, bei seinem letzten PochenHegt vieles noch, unausgesprochen,Und dieser innern Sprache WortBürgt für ein Wiederfühlen dort.
"Bist geworden älter,Bist geworden kälter!"Sag´ ich oft zu mir;"Laß es dich nicht grämen,Nicht den Mut dir lähmen,Kannst ja nicht dafür!Jeder Tag verglühet,Jeder Lenz verblühet,Jede Stimme bricht,Jede flücht´ge StundeSchlägt uns eine Wunde:Wir nur merken´s nicht.Erst wenn tausend bluten,Will es uns gemuten,Daß die Kraft doch litt;Stein und Erz verwittert,Eich´ und Zeder splittert,Und wir altern mit." –Das fühl´ ich mit SchmerzenOft so klar im Herzen,Bin so ernst, so still,Daß ich einen SchleierÜber meine LeierScheidend breiten will. –Und doch – wenn ich wiederHoch von Alpen niederAusblick´ in die Welt;Wenn ich in das BlaueSchwindelnd aufwärts schaue,Das der Mond erhellt;Wenn aus heil´gen HallenOrgelklänge schallen,Wenn der Wildbach braust;Wenn die WolkenfaltenBlaue Blitze spalten;Wenn der Hochwald saust;Wenn ich, froher Dinge,Freundesbrust umschlinge,Mensch mit Menschen bin;Wenn´s in muntren KreisenSchallt von kräft´gen Weisen,Dann erwacht mein Sinn.Dann wohl fühl´ ich´s schlagenWie in frühern Tagen,Manches meldet sich;Und das Aug´ wird heller,Und der Puls wird schneller,und ich fühle mich.Und mir sagt´s ein Sehnen:"Laß solch eitles Wähnen;Bist nicht, was du scheinst!Du wardst noch nicht älter,Du wardst noch nicht kälter,Bist noch jung wie einst!"
Bei dir allein empfind´ ich, daß ich lebe,Daß Jugendmut mich schwelltDaß eine heit´re WeltDer Liebe mich durchhebe;Mich freut mein SeinBei dir allein! Bei dir allein weht mir die Luft so labend,Dünkt mich die Flur so grün,So mild des Lenzes Blüh´n,So balsamreich der Abend,So kühl der Hain,Bei dir allein!Bei dir allein verliert der Schmerz sein Herbes,Gewinnt die Freud´ an Lust!Du sicherst meine BrustDes angestammten Erbes;Ich fühl´ mich meinBei dir allein!